Im Juli nahm ich an einer besonderen Pilgerfahrt in den Libanon teil, für die ich in der Gemeinde St. Johannes zuvor Spenden gesammelt habe. Mit diesem kurzen Bericht möchte ich mich sehr herzlich bei allen Spendern für ihre Großzügigkeit bedanken und ein paar meiner Eindrücke von einem durch eine schwere Krise geprägten, landschaftlich und kulturell reichen und angesichts der aktuellen Lage bemerkenswert hoffnungsvollen Land schildern.
Im Libanon gibt es viele Probleme. Die Menschen in dem kleinen Land, das im Norden und Osten an Syrien und im Süden an Israel grenzt, sind seit einigen Jahren mit einer Serie an schwierigen Ereignissen konfrontiert. Das korrupte Regierungssystem führte das Land in eine vielschichtige politische und wirtschaftliche Krise, die sich durch die Covid-Pandemie, ihren wirtschaftlichen Folgen und einer 2019 gescheiterten Revolution immer weiter zuspitzte. Die tragische Explosion im Hafen von Beirut, die im August 2020 die Hauptstadt verwüstete, 250 Menschen tötete und 300.000 Menschen aus ihren Häusern vertrieb, stürzte das politisch und wirtschaftlich fragile Land endgültig in den Abgrund.
Von den Folgen erzählen uns die Einheimischen: ein enormes Misstrauen gegenüber der Regierung, sehr hohe Inflation sowie Arbeitslosigkeit und wachsende Armut, obwohl die Bevölkerung eigentlich gut ausgebildet ist. Die Auswirkungen der Krise sehen wir mit eigenen Augen. Menschenleere Straßen, viele Häuser sind leerstehend oder kaputt, es gibt nur wenige Stunden öffentlichen Strom am Tag – wer sich es leisten kann, betreibt einen eigenen Stromgenerator – und lange Schlangen an Tankstellen und Bäckereien.
Die Gemeinschaft der Seligpreisungen, eine katholische Ordensgemeinschaft, die diese Reise organisierte, führt ca. 1 Stunde von Beirut entfernt ein Kloster mit einem Begegnungszentrum für christliche Jugendlichen, Frauen und Familien aus dem ganzen Land. Das Land sticht in der arabischen Welt aufgrund seiner großen christlichen Präsenz heraus. Das Verhältnis zwischen Christen und Muslimen liegt bei etwa 40 zu 60 Prozent, insgesamt gibt es 18 anerkannte Religionsgemeinschaften, die auf kleiner Fläche mit nur 6,8 Mio. Einwohnern (in NRW gibt es 2,5-mal so viele Menschen) neben- und miteinander leben. Kirchen und Moscheen stehen Wand an Wand nebeneinander und man sieht überall Marien- und Jesusstatuen und Minarette.
Zusammen mit einer Gruppe von 20 jungen Erwachsenen aus der Schweiz, Polen, Ungarn, Deutschland und USA besuchten wir das Kloster, restaurierten ein während unseres Aufenthalts durch ein Feuer zerstörtes Haus und halfen, wo wir konnten mit und machten intensive Begegnungen mit den libanesischen Jugendlichen vor Ort. Die Situation und der fehlende Zugang zu Medikamenten und Bargeld gaben uns Anlass, Spenden zu sammeln. So brachten wir zusammen 24.000 Dollar bar in den Libanon. Die beträchtliche Spende von 1.230 Euro aus der Gemeinde St. Johannes verwendete ich für wichtige Medikamente, die es im Libanon zurzeit nicht zu kaufen gibt.
Die libanesischen Jugendlichen erzählten uns von der aktuellen Situation, ihren Sorgen und Ängsten, aber auch von ihren Zielen und Hoffnungen für die Zukunft. Sie erzählen, dass es gerade sehr schwer ist ein Visum oder Reisepass zu bekommen, sie zurzeit das Land nicht verlassen können und dass sie eine Veränderung in der Politik in naher Zukunft nicht erwarten. Trotz allem strahlen viele von ihnen einen beeindruckenden und sehr berührenden Lebensmut aus, den sie vor allem aus ihrem tiefen Glauben schöpfen. Viele erzählen, dass sie die Hoffnung längst aufgegeben hätte, hätten sie Gott nicht in ihrem Leben. Er führt sie und gibt ihnen jeden Tag aufs Neue Kraft und Zuversicht, angesichts der Lage nicht zu verzweifeln. Zusammen mit den jungen Libanesen feierten wir Gebetsabende und priesen Gott für seine Größe und Güte.
An drei Tagen der Reise wanderten wir gemeinsam durch die Berge und Täler des Libanon unter den mächtigen Zweigen der Zedern. Im Heiligen Tal (Wadi Qadisha) des Libanongebirges, eine 30 km lange Schlucht in dem einst Einsiedler und Mönche lebten, vergisst man all die Probleme des Landes und ist überwältigt von der Schönheit der Natur, die in der Bibel treffend beschrieben wird: „Lass mich das prächtige Land jenseits des Jordan sehen, dieses prächtige Bergland und den Libanon!“ (Dtn 3,25).
Die Reise war sehr intensiv und voller berührender Begegnungen. Ein großes Vergelt’s Gott an alle Spenderinnen und Spendern bringe ich aus dem Libanon: ميرسي كْتير (mérsī ktīr)! („Vielen Dank!“ auf libanesisch).
Text und Fotos: Valerie Liebers